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Prekäre Situation in den Teeplantagen von Nuwara Eliya

Sri Lanka l Juni 2022


Schritt für Schritt ist SOLVA am Aufbauen von Projekten gegen den Menschenhandel und Missbrauch, wie Sie zum Beispiel diesem Artikel entnehmen können.


Die Lebensbedingungen in den Teeplantagen in Sri Lanka sind prekär, der Bildungsstand der Kinder sehr tief, die Zukunftsperspektiven der Jungen schlecht. Der sexuelle Missbrauch von Kindern und Jugendlichen ist in diesen Gebieten weit verbreitet. Zusätzlich verschwinden viele Jugendliche in den Menschenhandel, ohne je wieder gefunden zu werden. Doch nie-mand redet darüber.


«Ich brauche Schutz»

Seit Generationen leben und arbeiten tamilische Familien in den Teeplantagen des Hochlands in Sri Lanka. Es sind ur-sprünglich Menschen aus Indien, die aus dem im Süden liegenden Tamil Nadu stammen und bereits während der briti-schen Kolonialzeit ausgewandert sind. Im District Nuwara Eliya startet SOLVA ein Präventions-Projekt mit einer Umfrage in einer der Teeplantagen mit 8’900 Fami-lien.

Als Renuka noch ein Kind war, hat ihre Mutter die Familie verlassen und ging nach Kuwait. Zurück blieb sie mit ihrem Vater, der ein starker Alkoholiker ist. Über Jahre wurde sie von ihrem Vater geschlagen und immer wieder sexuell missbraucht. «Ich hatte schreckliche Angst, doch ich wusste nicht, an wen ich mich mit meinem Problem wenden konnte.»


Als Renuka 14 Jahre alt war und ihr Vater sich wieder an ihr vergreifen wollte, versuchte sie sich mit dem Messer zu wehren. Voller Wut ging der Vater auf sie los und brachte sie fast um. Gott sei Dank wurde der Onkel auf die heftigen Schreie aufmerksam und rief sofort die Polizei. Der Vater wurde verwarnt und ging daraufhin nach Colombo. Verhaftet wurde er nie. Die Polizei verständigte Renukas Mutter über den tragischen Vorfall, doch bis heute ist sie nicht gekommen, um sich um ihre Tochter zu kümmern. «Ich fühle mich sehr verlassen», erzählt sie Sujith mit einer tiefen Traurigkeit. «Nun wohne ich bei dem Onkel, der mich ge-rettet hat. Doch ich habe immer noch Angst und bitte Sie um Schutz.» So beendet sie das Interview. Später erzählt sie unserem Projektpartner Sujith, dass sie sehr gerne wieder die Schule besuchen würde, damit sie später etwas erlernen kann. Doch sie habe niemand, der ihr die Schuluniform und Schulbücher beschaffen kann. Renuka ist nur ein Beispiel von un-zähligen Betroffenen von Missbrauch in der Teeplantagen-Region.


SOLVA wird sich in Zukunft für Betroffene wie Renuka engagieren, damit sie Schutz, Hilfe und eine bessere Zukunft erhalten.

Jugendliche werden vermisst Menschenhändler haben längst erkannt, dass wegen der prekären Lebenssituation in den Teeplantagen die Jugendlichen leicht zu ködern sind. Viele der Jugendlichen gehen nicht zur Schule, hängen den ganzen Tag tatenlos herum, haben keine Zukunftsperspektiven und träumen gleichzeitig von einem schönen Leben. Hier ist es ein Leichtes für die Brokers – so werden die Menschenhändler genannt – Eindruck zu machen, indem sie mit stattlichen Autos vorfahren, Alkohol, Zigaretten anbieten und mit guten Jobangeboten in Colombo prahlen. Viele, die sich darauf einlassen, werden nach Colombo gebracht, damit sie in soge-nannten «Spas» arbeiten gehen. Die meisten Spas in Colombo funktionieren jedoch als ver-kappte Bordelle, wo hauptsächlich junge Mädchen, aber auch Jungen gefangen gehalten und zu sexuellen Diensten gezwungen werden. Andere landen in den Touristenorten für den Sextourismus. Weitere werden nach Indien oder in die arabischen Staaten verschleppt. Es gibt keine Fakten über die Anzahl der verschwundenen Kinder in den Teeplantagen. Dies wird eines der Ziele von Solva sein, mehr über die verschwundenen Jugendlichen zu erfahren und entsprechend zu handeln.

Prävention zum Schutz von Gefährdeten Um sich in den Teeplantagen engagieren zu dürfen, braucht es die Zustimmung des Distrikt-Koordinators und des jeweiligen Estate Managers (des Geschäftsführers einer Teeplantage). Der Projektpartner Sujith und Rajesh, ein Solva-Mitarbeiter bei den Teeplantagen in Nuwara Eliya, haben mit beiden zuständigen Personen längere Gespräche geführt, über unsere ge-plante Umfrage und Präventionsarbeit informiert und dabei das Vertrauen der jeweiligen Verantwortlichen gewinnen können. Es ist ein grosses Privileg, ihre Zustimmung erhalten zu haben, um diese Umfrage zur Erfassung der allgemeinen Situation der Teeplantagen-Mitarbeiter und ihrer Familien durchführen zu dürfen, insbesondere mit dem Fokus auf Missbrauch und Verschwinden von Jugendlichen und Kindern. Soweit unseren Mitarbeitern bekannt ist, hat sich noch keine NGO gegen den weitverbreiteten Missbrauch und den Menschenhandel in den Gebieten der Teeplantagen engagiert. Ende Juli werden 1700 Familien von 15 Freelancern befragt. Die Umfrage enthält knapp 40 Fragen zu der Situation der Bewohner in den Teeplantagen, zu ihren Ängsten, Schwierigkeiten, Hoffnungen – aber auch zu ihren Erfahrungen mit Missbrauch und Menschenhandel. Ende August wird die Auswertung der Umfrage erstellt. Sie ermöglicht eine Situationsanalyse vor Ort und wird als Basis für den Aufbau der Präventionsarbeit dienen. Ein erstes Ziel sind Präventionsvorträge an Schulen, ein zweites Ziel ist die Verbesserung der finanziellen Lage durch konkrete Selbsthilfeprojekte, damit Eltern aus finanzieller Not ihre Kinder nicht verkaufen. Wir werden beim nächsten Bericht über das Resultat der Umfrage informieren. In einer weiteren Phase wird sich Solva auf die Befreiung von Gefangenen und auf die Rehabilitation der Befreiten konzentrieren.

 

Aktuelle politische Situation Das Land wurde in den letzten zweieinhalb Jahren stark gebeutelt – die Menschen leiden an Hunger und grosser finanzieller Not. Nicht nur die Covid-19-Pandemie hat die Bevölkerung hart getroffen. Bedingt durch den Krieg in der Ukraine ist Getreide zu einer Mangelware ge-worden, eines der Grundnahrungsmittel der armen Bevölkerung. Zusätzlich ist die seit Jah-ren immer schlechter laufende Wirtschaft vor wenigen Wochen nun völlig kollabiert, die Prei-se für Nahrungsmittel, Gas und Benzin sind um ein Vielfaches gestiegen – in einem Land, in dem bereits ein Teil der Bevölkerung an Hunger leidet. Und zu guter Letzt wurde die ge-samte Regierungsleitung nach Tagen von Demonstrationen verjagt. Dem neu gewählten Präsidenten, Ranil Wickremesinghe, vertraut das Volk nicht. Es herrscht eine grosse Span-nung im ganzen Land.


 




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