Schweiz l November 2023
Am 3. November 2023 fand im GZ Fluntern (Zürich) der dritte Anlass des Vereins SOLVA statt. Ein persönlicher Bericht eines Teilnehmers.
Im einladend hergerichteten Lokal des Gemeinschaftszentrums fanden sich 35 Personen ein, um mehr über die Aktivitäten des vor rund einem Jahr gegründeten Vereins SOLVA zu erfahren; darunter auch der Schreibende.
Die Gründerin des Vereins, Inés, informierte das aufmerksame Publikum über die Zusammenhänge von Menschenhandel und wirtschaftlichen Gegebenheiten, gesellschaftlichen Problemen und Profitgier. Anhand von anschaulichen Kurzfilmen inkl. Gesprächen mit den lokalen Teams aus den Ländern Nepal, Sri Lanka und Indien wurde klar, mit welch grossem Engagement die SOLVA-Mitarbeitenden und insbesondere auch die Verbündeten aus lokalen Organisationen sich vor Ort einsetzen. Dafür, dass die Menschen dort aus ihren unsäglichen Lebenssituationen befreit werden können. Bereits Kinder und Jugendliche sollen das nötige Wissen und ab einem gewissen Alter eine zukunftsträchtige Beschäftigung haben, um nicht in die Fänge profitgieriger, ausbeuterischer Menschen zu geraten.
Glasklar wurde im Verlaufe des Abends auch, wie wichtig es ist, das Vertrauen der Menschen an den Schlüsselstellen zu gewinnen. Und herauszufinden, wer die unbestechlichen (und noch nicht bestochenen) Polizisten sind, mit deren Hilfe man die Menschen an einen sicheren Ort bringen kann. Mich persönlich hat es überrascht zu erfahren, dass die Erstkontakte oft Frauen sind, die sich das Vertrauen der potenziellen Opfer erschleichen, um diese dann in ein unglaublich perfides, menschenverachtendes System weiterzuschleusen, aus dem es ohne fremde Hilfe kaum ein Entrinnen gibt. «Global Slavery Index» geht von unglaublichen 50 Millionen Menschen aus, welche Opfer von finanzieller Ausbeutung unter Zwang oder Täuschung sind! Damit wird ein geschätzter Gewinn von 150 Milliarden US Dollar erwirtschaftet. Somit handelt es sich neben dem Drogengeschäft und dem Waffenhandel um einen der grössten, illegalen Wirtschaftszweige…
In Sri Lanka liegt das Hauptaugenmerk auf den Teeplantagen in der Zentralprovinz. Dort gibt es etwa 800'000 Teepflücker:innen, mit deren Ausbeutung riesige Gewinne erwirtschaftet werden. Hier wird erfolgreich mit lokalen Behörden und den Bertreibern der Plantagen zusammengearbeitet, was eine langwierige Aufbauarbeit erforderte. Mit wertvoller Präventionsarbeit für lokale Behörden, an Schulen und unter den Teeplantagen-Bevölkerung konnte nun gestartet werden. Unterstützung eines ersten befreiten Mädchens wird gewährleistet. Weitere Unterstützungen stehen unmittelbar bevor. Im kommenden Jahr möchte das Team sich verstärkt auf die Befreiung von Betroffenen und ihrer Reintegration fokussieren. Viele von ihnen werden in Haushalten, auf Baustellen, im Sextourismus und vor allem in Bordellen ( werden oft in offiziellen Spas versteckt betrieben) unter sklavenähnlichen Zustände ausgebeutet.
In Nepal ist der Fokus im Hochgebirge von Rukum. Dort wird, aufgrund der geologischen Lage, fernab von gutem oder weit verbreitetem WLAN, von einer Partnerorganisation drei Mal pro Woche ein Radioprogramm ausgestrahlt, um die Menschen zu sensibilisieren.
Auch ein Schutzhaus für 5 Frauen wird betrieben, in welche diese in einem geschützten Rahmen Fähigkeiten erwerben können, welche dann in ein «Start-up» (Kleingewerbe) einfliessen. Natürlich immer mit dem Ziel: Eigenständigkeit.
In Indien ist Menschenhandel bekanntermassen ein riesiges Problem. Hier wird im Grenzgebiet zu Nepal gearbeitet, beispielsweise mit Alphabetisierungs-Kursen und Vorträgen an Schulen und in Dörfern. Auch ist ein Schutzhaus für 13 Mädchen in Betrieb. Einige von ihnen kamen im Film herzerwärmend zu Wort.
Die Arbeit in den Projekten im Ausland kann folgendermassen zusammen gefasst werden.
Gemeinsam mit Projektpartnern fokussiert sich SOLVA auf folgende Tätigkeiten:
- Prävention: Gefährdete werden durch diverse Arten von Aktivitäten bewahrt
- Befreiungen: Zusammen mit der Polizei werden Gefangene befreit
- Reintegration: Eine nachhaltig bessere Zukunft für Befreite wird ermöglicht - Verfolgung der Täter: Im Zusammenarbeit mit Anwälten
- Netzwerk: Die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen ist sehr wichtig
In der Schweiz hat SOLVA ihre Arbeit mit der Betreuung von Frauen aus gewaltvollen Situationen begonnen. Vor allem ist Denise, Vorstandsmitglied von SOLVA, in diesem Bereich tätig und berichtete in einem zweiten Teil über ihr Engagement mit den oft sehr gebeutelten Frauen. So gibt es eine Notunterkunft für neun Frauen in Notlagen (u.a. Zwangsprostitution, häusliche Gewalt, Alkoholismus, etc.). Auch hier war deutlich zu spüren, wie viel Herzblut, Geduld und persönliches Engagement investiert wird.
Sehr bedrückend und unendlich traurig war dann die Lebens- und Leidensgeschichte einer anwesenden Frau. Noch nicht 40-jährig, hat die gebürtige Spanierin über mehr als zwei Jahrzehnte Unvorstellbares erlebt und auf wundersame Weise auch überlebt. So wurde sie schon als Kind vom eigenen Vater als Drogenkurierin eingesetzt. Sexuell ausgebeutet von Verwandten und vermeintlichen Freunden. Mit 15 Jahren wurde sie Mutter. Und hatte sie sich endlich einmal aus einer schrecklichen Situation befreit, wurde sie vom Onkel ihres langjährigen Peinigers und Vater ihres Kindes unter perfider Vorgaukeln falscher Tatsachen in die Schweiz gelockt. Wo sie in einen neuen Sumpf aus Zwangsprostitution, Gewalt und Abhängigkeiten geriet, quasi mitten unter uns. Viel Kopfschütteln, Fassungslosigkeit und auch Tränen waren unter der Zuhörerschaft zu beobachten. Und auch Bewunderung für das mutige Zeugnis und den Überlebenswillen dieser tapferen Frau und Mutter von zwei Kindern, heute 21 und 10 Jahre alt.
Bei einem liebevoll zubereiteten und schmackhaften Apéro ergaben sich im Anschluss nachdenkliche, eindrückliche und intensive Gespräche über die Themen des Abends. Sicherlich werden das Gehörte und die gewonnenen Eindrücke weiterhin Spuren bei den Anwesenden hinterlassen, die hoffentlich zu (noch) mehr Sensibilisierung und offenen Augen und Ohren im ganz persönlichen Umfeld führen.
Wer mithelfen möchte, kann dies auf verschiedene Arten tun: Vorträge im grösseren und/oder kleineren Rahmen organisieren, über der Arbeit von SOLVA erzählen, aktiv mithelfen (z.B. in den Bereichen Fundraising, Administration etc.) und schlussendlich auch vor allem mit Spenden. Ein herzliches Dankeschön an die Organisierenden für einen Abend, der in Erinnerung bleiben wird.
Autor: Frédéric Nebel
Comentarios